Unsere Forderungen

Die rechtliche Betreuung droht kaputtgespart zu werden. Mit weitreichenden Konsequenzen für Menschen mit Unterstützungsbedarf. Das kann nicht im Sinne unserer Gesellschaft sein!

Der Gesetzgeber hat 2023 das neue Betreuungsrecht erlassen. Es orientiert sich klar an der UN-Behindertenrechtskonvention, macht die Wünsche der Klient*innen zum zentralen Maßstab des betreuerischen Handelns und stellt die Unterstützte Entscheidungsfindung eindeutig vor stellvertretende Entscheidungen. Für diese Ziele setzen wir uns als Verband schon lange ein.

Gleichzeitig ist die Betreuungslandschaft in Deutschland seit Jahren unterfinanziert. Von der 2019 beschlossenen Vergütungserhöhung von 17 Prozent sind nur 12,3 Prozent bei den Betreuer*innen angekommen. Stark gestiegene Preise für Energie, Personal und Mieten sowie der durch die Reform verursachte Mehraufwand, für den keine Vergütung vorgesehen ist, stellen für viele Betreuungsvereine und selbstständige Berufsbetreuer*innen eine existentielle Bedrohung dar.

Wenn die Politik jetzt nicht handelt, werden viele Berufsbetreuer*innen ihre Tätigkeit aufgeben müssen. Die rechtliche Betreuung in Deutschland droht zu kollabieren. Der jetzt schon erkennbare Mangel an qualifizierter Berufsbetreuung würde sich weiter verschärfen. Unter diesen Umständen können wir zentrale Ziele der Betreuungsrechtsreform 2023 nicht erreichen. Die Sicherung der Qualität in der Betreuung und die weitere Stärkung der Selbstbestimmung der Klient*innen sind in Gefahr.


Das ist fatal und muss sich dringend ändern!

Unsere 6 Forderungen an die Politik:

1. Sofortiger Inflationsausgleich

Erreicht!

Seit dem 1. Januar 2024 erhalten Betreuer*innen eine Inflationsausgleichs-Sonderzahlung von 7,50 Euro pro Betreuung und Monat – befristet auf 24 Monate.

Lesen Sie mehr in unserer Pressemeldung

Berufsbetreuer*innen sind von den aktuellen Kostensteigerungen im Bereich Energie, Personal und Mieten in besonderer Weise betroffen. Wegen der gesetzlich normierten Betreuervergütung können sie die Kostenentwicklungen weder auffangen noch wie andere Unternehmen über den Preis weitergeben. Sie sind auch kein Tarifpartner, der in Tarifverhandlungen eine höhere Vergütung durchsetzen könnte. Von allgemeinen Entlastungspaketen profitieren Berufsbetreuer*innen nur eingeschränkt.

Daher ist die Politik aufgefordert, unabhängig von der bis Ende 2024 vorzulegenden Evaluation, das Überleben der Betreuerlandschaft durch einen vorgezogenen Inflationsausgleich zu sichern.

Der BdB hat die Kostenstruktur der Berufsbetreuer*innen in Form eines Warenkorbes ermitteln lassen und leitet daraus eine Forderung nach einem Inflationsausgleich in Höhe von 19,3 Prozent ab.

Wir fordern den Gesetzgeber auf,

  • durch einen sofortigen vorgezogenen Inflationsausgleich in Höhe von 19,3 Prozent das wirtschaftliche Überleben der Betreuungslandschaft zu sichern,
  • unverzüglich das dafür erforderliche Gesetzgebungsverfahren auf den Weg zu bringen.

2. Strukturelle Anpassung der Vergütung bis 2025

Das Gesetz zur Anpassung der Betreuer- und Vormündervergütung von 2019 versprach eine Vergütungserhöhung von 17 Prozent. Erreicht wurden aber lediglich 12,3 Prozent. Das belegen Ergebnisse einer Befragung unter unseren mehr als 7.500 Mitgliedern. Bei der Vergütungserhöhung von 2019 wurden Tarifsteigerungen von 2 Prozent „eingepreist“. Diese lagen in der Realität jedoch deutlich über 2 Prozent! Bereits die ISG-Qualitätsstudie wies eine Unterdeckung im Bereich der Stundenansätze und der Stundensätze nach (jeweils etwa 25 Prozent, zusammen knapp 50 Prozent) und sprach sich für eine deutlich höhere Anpassung der Vergütung aus.

Zusätzlich ist das neue Betreuungsrecht mit einem erheblich gestiegenen Mehraufwand für Betreuer*innen verbunden, für den bisher kein finanzieller Ausgleich vorgesehen ist. Unter anderem ergeben sich aus dem Reformgesetz zusätzliche Berichts- und Besprechungspflichten, außerdem sind Mehrkosten durch das Registrierungsverfahren und den Sachkundenachweis zu erwarten. 

Bis zum 31. Dezember 2024 muss die Bundesregierung über die Evaluation der 2019 eingeführten Betreuervergütung berichten.

Wir fordern den Gesetzgeber auf,

  • den Effekt der Vergütungsanpassung von 2019 zu evaluieren und zu berücksichtigen,
  • den unvergüteten Mehraufwand durch das 2023 in Kraft getretene Reformgesetz zu berücksichtigen,
  • das dreigeteilte Vergütungssystem abzuschaffen,
  • eine Dynamisierung der Vergütung vorzusehen und auch Dolmetscherkosten mit einzuschließen,
  • die Anpassung der Vergütung noch in laufenden Legislaturperiode bis 2025 vorzunehmen.

Die Vergütung von Berufsbetreuer*innen muss  der Leistung, der hohen Verantwortung und dem gesamtgesellschaftlichen Wert gerecht werden. Es bedarf eines Vergütungssystems, das die Qualität fördert und nicht zerstört.

3. Finanzierung der erweiterten Querschnittsaufgaben der Betreuungsvereine

Informationsblatt für Politik und Medien (DOWNLOAD)

Betreuungsvereine sind ebenso deutlich belastet durch die enormen Kostensteigerungen. Dabei sind sie im besonderen Maße bspw. durch die Tarifsteigerungen betroffen, weil diese nicht in vollem Ausmaß im Vergütungsgesetz abgebildet werden. Die wirtschaftlich prekäre Lage der Betreuungsvereine verschlimmert sich darüber hinaus noch einmal besonders angesichts der Tatsache, dass die Betreuungsumsetzungsgesetze zahlreicher Bundesländer keine verlässliche Finanzierungsgrundlage schaffen, sondern vielmehr die aus dem reformierten Betreuungsgesetz erwachsenden Anforderungen verkennen. Zahlreiche Landesregelungen haben scheinbar nicht die Verbesserung des Betreuungswesens unter den neuen gesetzlichen Maßstäben zum Ziel, sondern ihre Kostenbegrenzung.

Wir fordern den Gesetzgeber auf,

  • für Betreuungsvereine eine verlässliche Finanzierungsgrundlage zu schaffen, die den erweiterten Querschnittsaufgaben Rechnung trägt.

4. Einrichtung einer Bundesfachstelle „Unterstützte Entscheidungsfindung“

Das modernisierte Betreuungsrecht ist deutlich orientiert an den Bestimmungen der UN-Behindertenrechtskonvention. Eine Unterstützte Entscheidungsfindung im Sinne der UN-BRK in der rechtlichen Betreuung konsequent umzusetzen und zu gewährleisten, muss bedeuten, das Prinzip fachlich und methodisch auszugestalten.

Darum setzen wir uns für die Einrichtung eines dauerhaften Gremiums ein, das die fachliche (Weiter-)Entwicklung der Berufsbetreuung zur Aufgabe hat und auch die Diskussion der (fachlichen) Qualitätssicherung übernehmen kann.


Wir fordern den Gesetzgeber auf,

  • Mittel für die Entwicklung, Erprobung und Evaluation von Projekten der Unterstützte Entscheidungsfindung bereitzustellen
  • eine Bundesfachstelle Unterstützte Entscheidungsfindung einzurichten,
  • die Fachstelle auch mit der Aufgabe der berufsfachlichen (Weiter-)Entwicklung der Betreuung zu beauftragen,
  • die Anhebung der Qualifikation für Berufsbetreuer*innen auf Hochschulniveau in diesem Rahmen zu behandeln (modularisiertes Hochschulstudium),
  • die Errichtung einer Betreuerkammer als berufsständischer Selbstverwaltung hier zu diskutieren und einzuführen.

5. Betreuerkammer und Qualifikation auf Hochschulniveau

Weiterhin verfolgen wir das Ziel, dass die Qualifikation für Berufsbetreuer*innen auf Hochschulniveau (modularisiertes Hochschulstudium) erfolgen muss. 

Ebenso setzen wir uns für die Errichtung einer Betreuerkammer als berufsständischer Selbstverwaltung und auf Fachlichkeit fußender Berufsaufsicht ein. Die Kammer soll zentrale Aufgaben im Bereich der Qualitätssicherung und Professionsentwicklung übernehmen.

6. Zeugnisverweigerungsrecht

In der rechtlichen Betreuung ist eine Vertrauensbeziehung zwischen Klient*innen und Betreuer*innen unerlässlich. Rechtliche Betreuer*innen sind verpflichtet, sich an den Wünschen ihrer Klient*innen zu orientieren. Sie sollen im Rahmen des Möglichen darauf hinwirken, dass diese ihre Angelegenheiten später einmal wieder eigenständig wahrnehmen können. Das kann nur funktionieren, wenn zu den Klient*innen ein Vertrauensverhältnis aufgebaut werden kann.

Wir fordern den Gesetzgeber deshalb auf,

  • auch für rechtliche Betreuungen ein Zeugnisverweigerungsrecht einzuführen.